Wir hatten zuletzt in unserer innermuslimischen Gesprächsreihe mit dem alevitischen Theologen Uğurcan Asku eine sehr erfolgreiche Veranstaltung mit sehr viel positivem Feedback. Das hat uns gezeigt, dass wir mit dieser Reihe auf dem richtigen Weg sind. Unser Gesprächspartner dieses Mal war der schiitische Theologe Mohammad Zolfaghari, der auch Teil der Imamausbildung am Islamkolleg in Osnabrück ist. Mohammad Zolfaghari ist unter anderem Leitder der Mediengruppe Fotrosmedia, die in mehreren Sprachen Videos zum schiitischen Glauben erstellt.
Das gesamte Gespräch kann hier oder auf Youtube angesehen werden:
Sunnitische und schiitische Strömungen stehen sich durch politisierte Mächte und Entfremdung durch die Geschichte hindurch nur selten ohne Missverständnisse und Konflikte gegenüber. Ender Cetin eröffnet den Dialog direkt zu Anfang mit der Feststellung: “Es ist leicht ein Haus zu verbrennen, aber schwer es wieder aufzubauen[…] so versuchen wir, dass wir gemeinsam einen Weg finden, wie wir uns respektvoll und achtsam einander gegenüber verhalten können”.
Beide Strömungen finden trotz allem ihren Ursprung im Islam. Diese Veranstaltung war eine willkommene Gelegenheit, Tieferes über den schiitischen Glauben zu hören, als das Bild von auf Steinen betenden Schiit*innen.
Das Gespräch mit dem Referenten bot einen Einblick in schiitische Glaubensgrundlagen und Rituale, um das Praktizieren des schiitischen Glaubens näher zu betrachten.
Nebenbei konnten Ender und Mohammad immer wieder Vergleiche zwischen sunnitischen und schiitischen Vorstellungen ziehen, wodurch enge sunnitisch-schiitische Verwandtschaften zum Vorschein kamen.
Mohammad begann mit einem Ausspruch Alis „Billige dem anderen das, was du dir selbst billigst“.
Dann definierte er den Begriff “Schia(t ʿAli)” als Anhänger und Gefolgschaft, hier ist gemeint, Ali b. Abi Talib zu folgen, da er als Cousin und Schwiegersohn des Propheten Muhammad (Friede sei auf ihm) nach der schiitischen Auffassung der erste legitime Kalif in der islamischen Geschichte darstellt. Das Haus des Propheten habe damit eine besondere Stellung im Schiitentum, da dort die ersten Schiit*innen (Fatima, Hassan und Hussein) existieren würden. .
Die Systematisierung und Fixierung bestimmter Glaubensgrundsätze der Schia unterscheidet sich von dem der Sunna und weist trotzdem Parallelen auf. Eine wichtige Feststellung: Der erste Glaubensgrundsatz ist bei beiden die Einheit Gottes.
Anschließend ging es um die Zweige des schiitischen Glaubens, bei dem auch das rituelle Gebet, wie es von Schiit*innen verstanden und gelebt wird, erklärt wurde. Es stellte sich sogar heraus, dass das berüchtigte Beten auf Steinen von einer Quelle stammt, die auch die Sunna als authentisch anerkennen.
Selbst andere heikle Themen wie die Mutʿa-Ehe und Tawassul wurden geduldig von unserem Referenten thematisiert und erläutert und gemeinsam mit den Teilnehmer*innen diskutiert.
Unsere Vorstandsvorsitzende Pınar Çetin hat am Ende der Veranstaltung ein schönes Fazit formuliert:
Es ist uns ein ganz wichtiges Anliegen, die Unterschiede, die wir haben, nicht wegzureden. Es geht uns hier nicht darum, alles schön zu reden und zu sagen, eigentlich ist doch alles gleich und das ist doch alles gar nicht so schlimm, sondern zu sehen und zu verstehen: Wir haben Differenzen, wir haben aber auch viele Gemeinsamkeiten und wichtig ist der respektvolle Umgang trotz der Differenzen, sonst wäre es ja keine besondere Leistung. Wenn wir alle gleich wären, dann nett zueinander zu sein oder den anderen zu respektieren und zu akzeptieren, wäre keine große Leistung.
Und genau an dieser Stelle ist es uns ein wichtiges Anliegen, zu sagen: Wir können manchmal auch anderer Meinung sein, zum Beispiel die Mutʿa – Ehe: Wir sagen, für uns gilt das nicht oder das kommt nicht in Frage, aber nur, weil es andere machen und so in ihrem Verständnis verankert ist, dann können wir nicht alles schlechtreden und sagen, ihr macht das völlig falsch. Sondern okay, das ist bei euch so, das kann ich stehen lassen, das kann ich respektieren.
Dieser gegenseitige Respekt, das ist das, was uns näher bringen kann, dieses Kennenlernen, Verständnis füreinander aufbringen und ich hoffe, mit der heutigen Veranstaltung haben wir das ein wenig geschafft.
Auch Ender hat eine konkrete Empfehlung zur Förderung dieses gegenseitigen Verständnisses:
Ich würde sowohl den schiitischen Geschwistern als auch den sunnitischen Geschwistern empfehlen: Besucht die Moscheen, besucht schiitische, sunnitische Moscheen, schaut euch um auf Instagram, Twitter, YouTube. Erlebt das mal, schaut und fragt einfach. In Berlin haben wir schon schlechte Erfahrungen gemacht, aber auch positive Erfahrungen. Wir haben Fälle von Schiiten, die zusammengeschlagen worden sind, weil sie auf Stein gebetet haben. Wir haben aber auch tolle Erfahrungen, dass man in Moscheen zusammengekommen ist und gemeinsam rezitiert hat und gemeinsam Tee getrunken und Kekse gegessen hat. Da wollen wir hin.