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Stellungnahme zum Neuköllner Projekt „Anlauf- und Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“

Der Berliner Verein Demokratie und Vielfalt (DEVI e.V). hat mit dem Projekt „Anlauf- und
Dokumentationsstelle konfrontative Religionsbekundung“ in Neukölln, das durch das
Bundesfamilienministerium gefördert wurde, die Vorarbeit für eine Registerstelle geschaffen, die
unter anderem Vorfälle und Erkenntnisse im Hinblick auf religiös konnotierte Konflikte in Schulen
erfassen soll.

Das Vorhaben ist aus fachlich-pädagogischer Perspektive in vielfacher Hinsicht problematisch. Es
weist gravierende konzeptionelle Schwächen auf und droht – entgegen dem erklärten Ziel, zum
Schulfrieden beizutragen – vielmehr Konflikte zu verschärfen.

Die Deutsche Islam Akademie unterstützt die Stellungsnahme von Expert*innen aus Wissenschaft und Praxis und gehört zu den Erstunterzeichnenden.

Die vollständige Stellungnahme kann hier eingesehen und heruntergeladen werden:

  • Es liegen keine belastbaren Kriterien für die Einordnung von Verhaltensweisen als „konfrontativ“ vor. Es wird der subjektiven Wahrnehmung von Lehrkräften überlassen, was als „konfrontativ“ zu bewerten sei und was nicht.
  • Die Perspektive von Schüler*innen und ihren Erziehungsberechtigten wird im Projektkonzept völlig außer Acht gelassen.
  • Das Projekt fokussiert ausschließlich muslimische Schüler*innen und ihre Religionspraxis, wenngleich formal alle religiös gefärbten Konfliktlagen erfasst werden sollen.
  • Schulische Konflikte werden für politische Interessen instrumentalisiert.
  • Mit dem Projekt sollen Lehrkräfte aufgefordert werden, die ihnen anvertrauten Schüler*innen auf Grundlage ihrer subjektiven Wahrnehmungen bei einer externen Stelle zu „denunzieren“, statt Konfliktsituationen unmittelbar (sozial-)pädagogisch zu bearbeite

Forderungen:

1) Die Unterlassung der (Weiter-)Förderung des Projekts „Anlauf- und Dokumentationsstelle
konfrontative Religionsbekundung“ durch öffentliche Mittel. Diskriminierende Konzepte wie
„konfrontative Religionsbekundung“, die im Konflikt mit der Verfassungsrechtsprechung stehen,
dürfen keine weitere staatliche Förderung erhalten.

2) Die Förderung und den Ausbau der Arbeit der Anti-Mobbing-Beauftragten des Senats.

3) Den Ausbau diskriminierungskritischer (sozial-)pädagogischer Regelstrukturen, wo Schulen mit
der pädagogischen Bewältigung von Konflikten jedweder Art überfordert sind.

4) (Religions-)Verfassungsrechtsbildung für alle Pädagog*innen und Schüler*innen, die nur dann
demokratiepädagogisch wirksam werden kann, wenn sie mit einer antisemitismus-, rassismus- und
diskriminierungskritischen Professionalisierung der Lehramtsausbildung einhergeht, die Religion
als Diversitäts- und zugleich Diskriminierungsmerkmal (Berliner Schulgesetz Artikel 2) ernst nimmt.
Da Schulen hierarchische Räume sind, müssen entsprechende Qualifizierungen mit
Führungskräften auf Verwaltungs- und Schulebene beginnen.

5) Demokratiebildung muss dabei entsprechend dem in Artikel 1 des Berliner Schulgesetzes
formulierten übergeordneten Bildungsziel von Schule eine Querschnittsaufgabe in allen Fächern
werden, damit Lehrkräfte allen Formen von Diskriminierung immer (selbst-)kritisch pädagogisch
entgegen treten, wenn sie im Schulalltag auftreten.

6) Die zeitnahe Einrichtung einer zentralen, unabhängigen und nicht weisungsgebundenen
Informations- und Beschwerdestelle für Diskriminierungen in Schule und Kita
, die beim
Abgeordnetenhaus angesiedelt ist und mit ausreichend personellen Ressourcen und Sachmitteln
ausgestattet ist. Diese kann bei Diskriminierungsfällen in Schulen für Rechts- und
Handlungssicherheit sorgen.
Die Landesantidiskriminierungsstelle (LADS) sollte in Kooperation mit dieser und mit
zivilgesellschaftlichen Trägern ein stadtweites Monitoring von allen Formen von Mobbing und
Diskriminierung datenschutzsicher entwickeln und umsetzen. Ausgehend von diesen stadtweiten
Daten kann in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft und den Verwaltungen, die sich im
Querschnitt mit Prävention und Antidiskriminierung befassen, kontinuierlich ein Interventionsbedarf
ermittelt werden. Entsprechend dieser Bedarfsermittlung können ggf. auch wissenschaftlich
fundierte multiperspektivische Erhebungen zu allen relevanten Fällen von Mobbing und
Diskriminierung berlinweit veranlasst werden. Auf dieser Grundlage können nachhaltige
pädagogische Präventions- und Interventionsstrategien in Abstimmung mit zivilgesellschaftlichen
Trägern kontinuierlich weiterentwickelt werden.

7) Die Einbindung der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, die das
Sammeln und die Weitergabe von Daten über Schüler*innen überprüft.