Zum Inhalt springen

Individualismus und Religion

Einerseits muss der einzelne seinen Weg in der Welt und eine Form für seinen eigenen Zugang zu Gott finden, andererseits geschieht dies vor allem in einer Gemeinschaft. Sowohl Christentum als auch Islam sind Religionen, in denen diese Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielt: Liturgie, gemeinsames Gebet, das Feiern von Festen brauchen diese Gemeinschaft und helfen dem Einzelnen. Aber in beiden Religionen können Gemeinschaften auch erdrückend – oder einfach nicht passend – sein. So gab und gibt es immer wieder Formen von Spiritualität, die aus Einsamkeit oder aus dem Ausbrechen aus diesen Gemeinschaften entstanden sind und so in die Gemeinschaft zurückgewirkt und diese bereichert haben. Wie viel Individualität also braucht eine Religion und wie viel davon verträgt sie? Was können Muslime und Christen in dieser Frage voneinander lernen?

Im Laufe des Abends wollten wir zu diesem Fragenbündel verschiedene Stimmen zu Wort kommen lassen: Die muslimische Spoken Word-Künstlerin Furat Abdulle machte ihr Ringen mit Erwartungen an Vergemeinschaftung und ihren Weg, damit umzugehen, anschaulich. Professor Rainer Kampling zeigte in Schlaglichtern aus der Kirchengeschichte, wie sich die Frage nach Individualität und Religion auch in vormodernen Debatten nachweisen lässt. Bacem Dziri gab einen Einblick in die islamische Geistesgeschichte. In welcher Epoche hatte Individualismus ihren Höhepunkt und welchen Raum geben Muslim*innen ihm heute? Wie katholische Gemeinschaft und spezifische kulturelle Eigenheiten ganz praktisch in Berlin gelebt und erfahrbar gemacht werden, hat Klaudia Höfig, Referentin für Interkulturelle Pastoral beim Erzbistum Berlin, geschildert. Sie hat zudem jeweils mehrere Jahre mit christlichen Gemeinden in Brasilien, China und den USA verbracht. Ist Individualität vielleicht gerade Motor und Lebenselixier für religiöse Gemeinschaften?