Zum Inhalt springen

Dialogveranstaltung zu Sufismus mit Dr. Martin Mahmud Kellner

„Komm, wer immer du bist. Wir sind keine Karawane der Hoffnungslosigkeit“

Dr. Martin Mahmud Kellner begann seinen Vortrag am 28.08.23 in der DIA zum Thema Sufismus mit der weisen Botschaft von Rumi. Die Veranstaltung war Teil unserer innermuslimischen Dialogreihe. Dr. Kellner hat in Wien und Damaskus studiert, u.a. Kultur- und Sozialanthropologie/Ethnologie, Arabistik, Turkologie, Psychologie, Soziologie sowie islamische Wissenschaften. Derzeit unterrichtet er am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück und ist in dem Verein Madrasah – Verein für islamische Bildung und interkulturellen Dialog in Österreich tätig. Zahlreiche Besucher*innen kamen, um seinen Ausführungen zum Sufismus zu lauschen.

Dr. Kellner unterstrich, dass zwischen dem Sufismus und dem Islam keine Trennung besteht. Den Sufismus spezifizierte er vielmehr als das Herz des Glaubens, keine Antithese. Rumi, auch bekannt als Dschalal ad-Din Muhammad Rumi, der ein persischer Dichter, Gelehrter, Sufi- Mystiker und Jurist des 13. Jahrhunderts war, vergleicht die Natur des Menschen mit einem Esel, das Engelsflügel trägt. Das symbolisiert die widersprüchliche Natur des Menschen, der sowohl stur, einfältig, dümmlich und zugleich motiviert und voller Potenzial ist. Dieses Potenzial wurde in der Geschichte von Adam und dem Gespräch zwischen Gott und den Engeln hervorgehoben, in der Gott den Engeln die Fähigkeit des Menschen zur abstrakten Konzeptualisierung erklärte: „Ich weiß was, was ihr nicht wisst“ (Sure 2 Vers 30 im Koran). Diese Spannung zwischen den Eigenschaften und dem Potenzial wurde an die Nachkommen von Adam und Havva weitergegeben. Diese wie auch das Hamsterrad in der Gesellschaft, das uns am Leben erhält, erwecken im Menschen die Sehnsucht in der spirituellen Seele und dem Bedürfnis nach Verbundenheit mit Gott. Ein weiterer Aspekt zum Wesen des Menschen steckt nach Dr. Kellner im arabischen Wort „Insan“ (أُنْسٌ), dass sowohl Geselligkeit als auch Vergesslichkeit bedeutet. Diese Eigenschaften erwecken die Sehnsucht nach Spiritualität in uns. Der Sufismus bietet Wege, diese Sehnsucht zu erfüllen und das Gleichgewicht zwischen unseren Eigenschaften zu finden. Es bietet auch Momente der Erinnerung entgegen der Vergesslichkeit des Menschen. Der Sufismus bietet so Wege, um aus der Lebenskrise herauszufinden, die Engelsflügel zu stärken und die Last auf dem Eselsrücken zu mindern.

Auf weitere Praktiken des Sufismus geht auch Ghazali in seinem bedeutenden Werk „Ihya ulum Ad-din“, übersetzt als „Die Wiederbelebung der Wissenschaften der Religion“, ein. Ziel des Buches von Ghazali ist die Lehre des richtigen Umgangs und Pflege mit dem Schöpfer und seinen Geschöpfen als die Bedeutung von Religion in vier Abschnitten: gottesdienstlichen Handlungen, die Umwandlung der alltäglichen Handlungen in gottesdienstliche Handlungen, psychopathologische und rettende Eigenschaften der Seele. Sufismus wird als der spirituelle Kern des Islam betrachtet und fördert die Gemeinschaft, um die Liebe zu Gott und Achtsamkeit zu verbreiten. Es beinhaltet Praktiken, die das Gewicht des Esels zu verringern, etwa durch Dhikr-Erinnerung und Lobpreisungen Gottes, die Bedeutung von Lehrern und Vorbilder, die weiter fortgeschritten sind.

Da die menschliche Seele komplex ist, macht die Idee der gemeinschaftlichen Praktiken leichter als das Alleinige. Mit Menschen zusammen zu kommen, durch die Verbundenheit kann die Liebe zu Gott, die Gottesliebe, Wachsamkeit, sich weiterverbreiten. Ein Beispiel zu diesem gegenseitigen Einfluss der tiefsinnigen Verbundenheit sind nach Dr. Kellner die Freundschaft von Rumi und Schams Tabrizi. Durch Schams lernte Rumi wie die Liebe zu den Geschöpfen aus der die Liebe zum Schöpfer entsteht. Denn Menschen seien ansteckend, sowohl im Guten als auch im Schlechten. Die Notwendigkeit des Sufismus wiederholt Dr. Kellner mit einem treffenden Spruch, den er im Wiener Akzent teilt: „Wo Menschen sind, menschelt‘s.“