Anlässlich zum Gedenktag Aschura haben wir am 28.07.2023 das Alevitische Glaubenszentrum Şah Hatayi Frankfurt am Main e.V. in unseren Räumlichkeiten empfangen. Der Besuch war Teil der Reihe „innermuslimischer Dialog“.
Uğurcan Asku vom Alevitischen Glaubenszentrum führte die Gäste in die alevitische Tradition zu Aschura ein: „Heute wollen wir euch eine alevitische Perspektive darauf mitgeben. Was glauben Aleviten? Was sind alevitische Rituale in dieser Aschura-Zeit?“ Begleitet wurde er von Burak-Dede (alevitischer Geistlicher), der Trauerlieder auf der Saz spielte. Anschließend gab es ein gemeinsames Fastenbrechen.
Zu Beginn entzündete Aksu das Çerağ (= Licht), welches traditionell die alevitische Cem-Zeremonie einleitet. Dafür werden drei Teelichter angemacht, welche für Allah, Muhammad sowie Imam Ali, Friede sei auf ihnen, stehen. Zudem werden die Verse 35 und 36 der Sure 24 An-Nur (das Licht) rezitiert. Diese betete Uğurcan Aksu an diesem Abend auf Türkisch vor.
„Allah ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht ist gleich einer Nische, in der sich eine Lampe befindet: Die Lampe ist in einem Glas; das Glas gleich einem funkelnden Stern. Angezündet (wird die Lampe) von einem gesegneten Ölbaum, der weder östlich noch westlich ist, dessen Öl beinahe leuchten würde, auch wenn das Feuer es nicht berührte. Licht über Licht. Allah leitet zu Seinem Licht, wen Er will. Und Allah prägt Gleichnisse für die Menschen, und Allah kennt alle Dinge.
(Es ist) in Häusern, für die Allah die Erlaubnis erteilte, sie sollen errichtet werden und Sein Name soll darin verkündet werden. Darin preisen (sie) Ihn am Morgen und am Abend.“
Für Alevit*innen ist Aschura sowie der gesamte Muharram, der erste Monat im islamischen Kalender, eine Trauerzeit, da sie den Tod Hussains, Enkel des Propheten (fsai) und Sohn von Imam Ali, gedenken. In dieser Zeit fasten Alevit*innen 10 oder 12 Tage. Doch auch beim Fastenbrechen verzichten sie auf bestimmte Lebensmittel wie Fleisch oder klares Wasser. Zudem werden keine Feiern wie Hochzeiten in dieser Zeit zelebriert. Uğurcan merkte deshalb an, dass zu Aschura im Gegensatz zum sunnitischen Brauch keine Festtagswünsche ausgesprochen werden. Er schlägt vor, Alevit*innen beispielsweise „Möge Allah euer Fasten annehmen.“ oder „Möge Allah eure Gebete erhören.“ zu wünschen.
„Diese Art des Gedenkens kenne ich aus meiner religiösen Erziehung nicht“, so Pınar Çetin, DIA-Vorstandsvorsitzende. „Ich habe es nicht gelehrt bekommen, in welchem Ausmaß die Brutalität und die Art und Weise war, wie der Enkelsohn unseres Propheten, Friede sei mit ihnen, ermordet wurde. Ich sehe zwar die gute Absicht (dies nicht zu thematisieren), aber das ist nicht die ganze Wahrheit und es tut mir weh, wenn ich das dann später erfahre und dass ich diesen Schmerz bisher nicht mitfühlen durfte oder konnte. Ich hab sehr viel Trauer an dem Abend empfunden, weil ich auch so viel darüber gelesen habe, wie lieb unser Prophet, Friede sei mit ihm, seine Enkelkinder hatte.“ Der Abend gab die Gelegenheit, sich zu den unterschiedlichen Traditionen auszutauschen und dies symbolisch mit einem gemeinsamen Fastenbrechen zu zelebrieren.
„Ich fand es eine sehr schöne Veranstaltung, wo wir sunnitisch und alevitisch zusammengekommen sind, um Aschura zu gedenken“, resümiert Çetin. Auch Aksu freut sich über die Möglichkeit zur innermuslimischen Begegnung und sagt weiter: „Innermuslimischer Dialog heißt, wir müssen versuchen, die Traditionen, Sichtweisen und Rituale zu verstehen. Wir müssen sie nicht übernehmen, aber verstehen ist schon sehr wertvoll.“